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Künstler: Tool

Album: 10.000 days

Erscheinungsjahr: 2006

Anspieltipp: Gesamtkunstwerk

Autor: Markus

Einer lebenden Legende wie Tool in einer Rezession gerecht zu werden, gestaltet sich nicht nur als schwieriges Unterfangen, sondern kann für den Schreiberling im schlimmsten Fall zur unüberwindbaren Hürde avancieren. Was sagen schon Worte, wenn die aus den Boxen tönende Musik derart vielfältige Impressionen beim geneigten Konsumenten hervorruft? Wofür gedruckte Buchstaben, wenn das Gehörte in erster Linie die emotionale Ebene anspricht und sich jeglicher nüchternen Betrachtungsweise entzieht? Tools Musik lebt, sie atmet, sie wächst und wächst, widersetzt sich gar jedem abschließenden Urteil. Unbequemer als auf „10.000 days“ kann Musik kaum sein, facettenreicher und revolutionärer allerdings auch nicht.

Nach dem ersten Hördurchlauf bleibt hier rein gar nichts hängen. Die Kompositionen Tools wirken auf ihrem nunmehr vierten Studioalbum zunächst mehr denn je konturenlos, mitunter größenwahnsinnig. Kaum ein Songfragment erinnert noch an konventionelle Rockmusik, stattdessen hat die Formation um Goldkehlchen Maynard James Keenan ihren ureigenen Stil in jede nur erdenkliche Richtung erweitert. Tool klingen auf ihrer neuesten Langrille tiefgründiger, mystischer und vor allem düsterer als auf allen ihrer bisherigen Veröffentlichungen, tischen mitunter über zehnminütige Klangmonster auf und entführen den Zuhörer in eine faszinierende musikalische Parallelwelt. Hier gibt es schamanisch anmutende Klagegesänge („Lipan conjuring“), hier treffen abstruse Drogenszenarien („Rosetta stoned“) auf wunderschön intonierte Gesangslinien („Right in two“), hier hat der Wahnsinn schlichtweg Methode. Was beim ersten Kontakt wie ein unheilschwangeres Sammelsurium aus lieblos aneinander gereihten Ideen anmutet, macht „10.000 days“ zu dem, was es ist: Ein Klangpuzzle, wie es die Welt noch nicht gehört hat.

Und dieses Klangpuzzle fordert sogar aufgeschlossene Musikfreunde mehr, als so manch einem lieb sein wird. Auch wenn der mit heftigen Riffgitarren unterlegte Opener „Vicarious“ noch als relativ geradliniger Rocker durchgeht und den Zuhörer mit latenten „Lateralus“ Querverweise in Sicherheit wiegt,  so ist die Grenze zum Unvorstellbaren spätestens bei „Jambi“ weit überschritten. Zickige Arrangements, ausufernde Instrumentalpassagen und unfassbar variabel dargebotener Gesang machen diese Komposition zu einem schwer ergründbaren Soundbrocken mit Seltenheitswert, der auch nach mehreren Dutzend Hördurchläufen selbst für gestandene Tool Spezialisten immer wieder neue Überraschungen bereithält. In Song Nummer drei „Wings for marie (pt. I)“ klingen die Amis dann so leise und beschwörend, dass einem Angst und Bange werden kann und rollen dem sich anschließenden majestätischen Titeltrack meisterhaft den roten Teppich aus. Vergesst alles, was Ihr bisher über Spannungsaufbau wisst. Hört einfach „10.000 days (Wings pt. II) und Eure Kiefer werden mehrfach nach unten klappen. „The pot“ eröffnet mit einer hinreißenden Gesangsperformance Maynard James Keenans und zeichnet sich neben prägnantem Riffing vor allem durch einen eindringlichen Refrain aus. „Lipan conjuring“ und „Lost keys (Blame Hofmann)“ hingegen sind alptraumhaft anmutende Zwischenspiele, welche die mystische Seite Tools nach außen kehren und den Zuhörer auf eine Reise ins Unterbewusstsein begleiten. Mit „Rosetta stoned“ servieren Tool dann eine weitere Mammutnummer, welche sich bestens als musikalische Untermalung für einen psychedelischen Drogentrip eignen würde. Paranoider als hier klang die Band aus den Vereinigten Staaten jedenfalls noch nie. „Intension“ erinnert durch seine leise Grundstimmung unterschwellig an Keenans Zweitprojekt A perfect circle und kann mit Fug und Recht als Ohrenschmaus bezeichnet werden , die wohl morbidesten Gesangslinien des gesamten 75minütigen Albums hält dennoch das mit indischen Tabla-Percussions angereicherte „Right in two“ bereit. Das abschließende „Viginti tres“ kommt als surreales Reprise daher und lässt den Zuhörer völlig konsterniert zurück.

Diese vage Beschreibung der elf kaum in Worte zu fassenden Klangkonstrukte kann natürlich nur eine ungefähre Vorstellung davon geben, wie ambitioniert „10.000 days“ wirklich klingt, weshalb eine eigene Auseinandersetzung mit der dargebotenen Musikkunst unbedingt notwendig erscheint. Eine Interpretation der lyrischen Ergüsse spare ich mir an dieser Stelle sogar völlig, da die Band ihre Texte weder kommentiert noch im Booklet abdruckt und selbige jedem Zuhörer zur freien Deutung überlässt. Kauft dieses Album einfach, hört es, saugt es in euch auf und ihr werdet es nie mehr loslassen wollen. Jede Wette. Spätestens dann ist dieses Review ohnehin überflüssig.

 

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